Die ersten Erfahrungen im Umgang mit der Corona-Krise bei der Umsetzung von Bauvorhaben haben gezeigt, dass Auftraggeber und Bauherren von Bauunternehmern und Architekten mächtig unter Druck gesetzt werden.
Behinderungsanzeigen unter Berufung auf die Corona-bedingten Umstände erreichen Auftraggeber im Wochentakt. Meist beschränken sich die Behinderungsanzeigen darauf mitzuteilen, dass die Ausführung derzeit wegen der Ausbreitung des Corona-Virus nicht möglich ist, sei es durch Nachunternehmer, die vermeintlich aus Risikogebieten nicht wieder einreisen können oder aufgrund von behördlich angeordneter Quarantäne von Mitarbeitern des Auftragnehmers. Damit dürften es sich die ausführenden Unternehmen viel zu einfach machen und es spricht viel dafür, dass allein dies noch keine Begründung für eine Bauzeitverlängerung ist. Die Bauwirtschaft ist derzeit von Zwangsschließungen nicht betroffen. Auch kann das Risiko des Einsatzes von Mitarbeitern nicht alleine auf den Auftraggeber abgewälzt werden. Im Ergebnis gelten also weiterhin die allgemeinen rechtlichen Anforderungen bezüglich Behinderungsanzeigen und Bauzeitverlängerungen:
Ist die VOB/B - im Ganzen oder in Teilen - zwischen den Parteien vereinbart, ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B eine Behinderung der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung (seitens des Auftragnehmers) dem Auftraggeber regelmäßig unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Die Ausführungsfristen verlängern sich dann gemäß §6 Abs. 2 Nr. 1c VOB/B, soweit die Behinderung durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände verursacht ist.
Die Corona-Pandemie könnte höhere Gewalt darstellen, die den Auftragnehmer bzw. Bauunternehmer an der Bauausführung hindern könnte. Dies hätte dann zur Folge, dass eine Bauzeitenverlängerung durch Personalnot oder Lieferengpässe von keiner Partei zu vertreten wäre und man sich einvernehmlich über die Folgen einigen müsste, da dann das Verzögerungsrisiko beim Auftraggeber liegt. Dies ist bewusst im Konjunktiv formuliert, da auch weiterhin nicht pauschal von höherer Gewalt auszugehen ist. Dies deshalb, weil nach vorsichtiger Einschätzung aktuell weder offenkundig ist,
dass es erhebliche Materialengpässe gibt, die die Bauausführung hindern,
dass alle Bauunternehmen bzw. Auftragnehmer aufgrund Personalmangels handlungsunfähig sind.
Daneben gibt es auch keine allgemeinverbindlichen behördlichen (Verbots-)Anordnungen, die das Baugewerbe betreffen.
Grundsätzlich gilt, unabhängig von der aktuellen Situation, dass Unwägbarkeiten in der Personalplanung als Risiko nicht dem Auftraggeber zuzuordnen sind. Etwaige Ausfälle von Beschäftigten sind vom Auftragnehmer vorab einzukalkulieren und in Kauf zu nehmen. Gleiches gilt für das Beschaffungsrisiko von Materialen – auch wenn diese aufgrund Knappheit nur zu erhöhten Preisen zu beschaffen sind. Dennoch gibt es derzeit Tendenzen, dass die Corona-Pandemie insgesamt und die vorgenannten Tatsachen in Verbindung mit den Umständen der Pandemie als höhere Gewalt eingestuft werden könnten.
Bis dahin müssen sämtliche Umstände, die den Unternehmer an der Ausführung der geschuldeten Leistung hindern und die etwaig auf der Corona-Pandemie beruhen, also von Bauunternehmen im Rahmen einer formellen Behinderungsanzeige detailliert und überprüfbar dargestellt werden. Der Bauunternehmer hat daneben darzulegen und zu beweisen, dass er alles ihm Mögliche getan hat, um seiner vertraglichen Pflicht nachzukommen. Erst wenn die entsprechenden Nachweise geführt wären, wäre der Auftraggeber gehalten eine entsprechende Behinderungsanzeige anzuerkennen und mit dem Bauunternehmen in Dialog treten bzgl. der Folgen der Bauzeitenverzögerung. Dies ist allerdings jeweils eine Frage des Einzelfalls und immer gesondert zu bewerten. Die Hürden für die Annahme einer begründeten Behinderung des Bauunternehmens sind im Ergebnis also hoch. Pauschal und als Regel lässt sich nicht automatisch annehmen, dass keine Behinderungsanzeige diesen Voraussetzungen gerecht werden kann. Ohne nähere Prüfung sollte man Behinderungsanzeigen nicht pauschal zurückweisen.
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